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TikTok und mentale Gesundheit: Wenn Fehlinformationen zur Gefahr werden

Hintergrund: Die wachsende Bedeutung von Social Media für psychisches Wohlbefinden

TikTok hat sich in den letzten Jahren zu einer der einflussreichsten Plattformen für junge Menschen entwickelt – nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch als Informationsquelle zu sensiblen Themen wie psychischer Gesundheit. Unter Hashtags wie #mentalhealthtips, #selfcare oder #anxiety finden sich Millionen von Kurzvideos, die Ratschläge, persönliche Erfahrungen oder vermeintlich therapeutische Tipps liefern. Doch wie vertrauenswürdig sind diese Inhalte wirklich?

Studie des Guardian: Mehr als die Hälfte der TikTok-Videos enthält Fehlinformationen

Laut einer aktuellen Analyse des britischen Guardian enthalten über 52 % der 100 meistgesehenen TikTok-Videos unter dem Hashtag #mentalhealthtips entweder nachweislich Fehlinformationen oder zumindest irreführende Aussagen. Für die Untersuchung bewerteten ausgebildete Psycholog:innen, Psychiater:innen sowie weitere Fachkräfte der psychischen Gesundheitsversorgung die Inhalte hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Fundierung.

Ein zentrales Ergebnis: Nur ein Bruchteil der Inhalte stammt von qualifiziertem Fachpersonal. Stattdessen dominieren Influencer:innen ohne medizinische Ausbildung, die zum Teil wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgen – etwa durch Werbung für nicht evidenzbasierte Nahrungsergänzungsmittel, fragwürdige Selbsthilfeprodukte oder kostenpflichtige Online-Coachings.

Typische Fehlinformationen auf TikTok: Von pseudowissenschaftlichen Heilmethoden bis zu gefährlicher Selbstdiagnose

Die Verbreitung irreführender Inhalte äußert sich in verschiedenen Formen:

  • Vereinfachte Lösungen für komplexe Störungen: Viele Videos versprechen schnelle Heilung von psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, ADHS oder posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Solche Versprechen sind nicht nur unrealistisch, sondern auch potenziell gefährlich, da sie professionelle Hilfe ersetzen könnten.
  • Unwissenschaftliche Alltagstipps: Ein Beispiel, das viral ging, empfiehlt das Essen einer Orange unter der Dusche zur Linderung von Angstzuständen – ein Trick ohne jegliche wissenschaftliche Evidenz.
  • Falsche oder überzogene Diagnosen: Alltägliche Gefühle wie Überforderung oder Traurigkeit werden häufig vorschnell als Anzeichen für schwerwiegende Störungen wie Borderline, emotionalen Missbrauch oder Autismus ausgelegt.
  • Werbung für Nahrungsergänzungsmittel und Coachings: Häufig stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund – viele Influencer:innen vermarkten Produkte oder Dienstleistungen, die weder geprüft noch wissenschaftlich validiert sind.

Strukturelle Probleme: Warum TikTok besonders anfällig für Fehlinformationen ist

TikTok ist auf schnelle, emotional ansprechende Inhalte ausgelegt. Genau das macht die Plattform anfällig für irreführende Informationen:

  • Narrative statt Nachweise: Viele Videos stützen sich auf persönliche Anekdoten anstelle von fundiertem Wissen. Diese wirken authentisch, sind aber oft nicht übertragbar.
  • Selbstdiagnose wird normalisiert: Vor allem Inhalte zu ADHS, Autismus und Essstörungen regen Zuschauer:innen zur Selbstdiagnose an – ein gefährlicher Trend, der zu Fehldiagnosen und unangebrachter Selbstbehandlung führen kann.
  • Mangelnde Transparenz: Nur sehr wenige Content Creator machen kenntlich, dass sie keine medizinische Ausbildung haben. Entsprechend fehlt oft der Hinweis, dass es sich um persönliche Meinungen und nicht um fachlich abgesicherte Informationen handelt.
  • Stigmatisierung und Generalisierung: Die Darstellung psychischer Erkrankungen ist häufig stark vereinfacht und stigmatisierend. So wird suggeriert, dass jede:r mit Depression gleich fühlt oder dass alle mit ADHS die gleichen Symptome zeigen – was medizinisch nicht haltbar ist.

Fazit: Kritischer Medienkonsum ist unerlässlich – besonders bei sensiblen Themen

TikTok kann als niederschwelliger Einstieg in das Thema mentale Gesundheit dienen, birgt aber auch erhebliche Risiken. Besonders junge Menschen, die nach Orientierung suchen, werden mit Halbwissen, Mythen und simplifizierten Lösungsversprechen konfrontiert. Fachleute warnen daher eindringlich davor, sich allein auf TikTok oder ähnliche Plattformen zu verlassen, wenn es um psychische Probleme geht.

👉 Wichtig: Bei anhaltenden psychischen Belastungen sollten sich Betroffene immer an qualifiziertes Fachpersonal wenden – etwa an Psychotherapeut:innen, Psychiater:innen oder psychosoziale Beratungsstellen.

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