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Vergessene Bankkonten: Wie Milliarden künftig dem Gemeinwohl dienen könnten

Nachrichtenlose Konten: Der unterschätzte Milliarden-Schatz

In Deutschland schlummern auf vergessenen oder ungenutzten Bankkonten Milliardenbeträge. Es handelt sich um sogenannte „nachrichtenlose Konten“ – Guthaben, auf die seit Jahrzehnten niemand mehr zugegriffen hat. Oft sind die Inhaber verstorben, unbekannt verzogen oder ihre Erben wissen nichts von deren Existenz. Die Bundesregierung plant nun eine tiefgreifende Reform, die diesen stillen Reichtum erstmals systematisch erfassen und für gemeinnützige Zwecke nutzbar machen soll.


Was sind nachrichtenlose Konten?

Der Begriff nachrichtenloses Konto bezeichnet ein Bankkonto, auf dem über einen sehr langen Zeitraum – meist Jahrzehnte – keinerlei Aktivität mehr festgestellt wurde. Diese Inaktivität kann verschiedene Ursachen haben:

  • Tod des Kontoinhabers ohne bekannte Erben
  • Unvollständige Nachlassregelung
  • Umzüge oder Namensänderungen ohne Weitergabe aktueller Daten
  • Betriebsauflösungen oder Liquidationen bei Unternehmen

Solche Konten geraten häufig in Vergessenheit – sowohl bei den Banken als auch bei potenziellen Anspruchsberechtigten. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass sich zwischen zwei und neun Milliarden Euro auf diesen Konten angesammelt haben.


Rechtslage bislang: Eigentum bleibt, Zugriff schwierig

Bisher regelt das deutsche Recht: Wird ein Konto über 30 Jahre nicht genutzt und meldet sich niemand, darf die Bank das Guthaben als Gewinn verbuchen. Dennoch bleibt der Anspruch des Kontoinhabers oder seiner Erben theoretisch zeitlich unbegrenzt bestehen – eine Verjährung gibt es nicht.

Komplizierter wird es, wenn keine Erben vorhanden sind. Dann fällt das Guthaben gemäß § 1936 BGB unter bestimmten Umständen an den Staat.

Kritiker monieren seit Jahren: Dieses System ist weder transparent noch effizient – und es verwehrt dem Gemeinwohl den Zugang zu erheblichen Geldmitteln.


Die geplante Reform: Milliarden für soziale Zwecke aktivieren

Die Bundesregierung will das Potenzial der nachrichtenlosen Konten künftig gezielt für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Projekte nutzen. Der geplante Weg orientiert sich an internationalen Vorbildern – insbesondere am britischen Modell:

In Großbritannien dürfen seit 2008 nach 15 Jahren inaktive Konten in einen sogenannten Dormant Assets Fund überführt werden. Dieser Fonds finanziert dort heute Projekte in Bereichen wie Jugendarbeit, Sozialunternehmertum oder Obdachlosenhilfe.

Auch in Deutschland sollen künftig folgende Schritte gesetzlich geregelt werden:

  • Klare Definition, wann ein Konto als nachrichtenlos gilt (z. B. nach 15 oder 30 Jahren ohne Kontaktaufnahme)
  • Meldepflicht für Banken, nachrichtenlose Konten zu identifizieren und zentral zu erfassen
  • Zentraler staatlicher Fonds, in den die entsprechenden Gelder überführt werden
  • Anspruchswahrung: Ehemalige Kontoinhaber oder Erben sollen weiterhin die Möglichkeit behalten, ihre Rechte geltend zu machen

Chancen und Kritik: Datenschutz vs. Gemeinwohl

Die Reaktionen auf die Reformpläne fallen unterschiedlich aus. Bankenverbände und Datenschützer äußern Bedenken:

  • Rechtssicherheit: Wem gehört das Geld wirklich – und wie lange darf es ruhen?
  • Datenschutz: Ein zentrales Register nachrichtenloser Konten könnte sensible Informationen offenlegen
  • Verwaltungsaufwand: Die Umstellung erfordert erhebliche technische und personelle Ressourcen

Dem gegenüber stehen erhebliche gesellschaftliche Chancen:

  • Milliardenbeträge könnten zielgerichtet für soziale Zwecke eingesetzt werden
  • Ein zentrales Register würde die Suche für Erben deutlich erleichtern
  • Der öffentliche Diskurs um „vergessenes Geld“ stärkt das Bewusstsein für Finanzvorsorge und Nachlassregelung

Fazit: Balance zwischen Eigentumsschutz und Gemeinwohl

Der geplante soziale Fonds aus vergessenen Bankkonten markiert einen Paradigmenwechsel in der Vermögenspolitik: Er steht exemplarisch für den Versuch, private Eigentumsrechte mit der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft in Einklang zu bringen.

Die Bundesregierung plant keine Enteignung, sondern eine sinnvolle, transparente Nutzung unbeanspruchter Vermögenswerte – unter Einhaltung der Rechte von Erben und Kontoinhabern. Bis zur Umsetzung sind jedoch noch viele Fragen rechtlicher, technischer und ethischer Natur zu klären.

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