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Bedingungsloses Grundeinkommen auf dem Prüfstand

Erkenntnisse aus dem Experiment des Vereins „Mein Grundeinkommen“

Was ist das eigentlich für ein Projekt?

Seit 2019 verlost der Berliner Verein Mein Grundeinkommen regelmäßig ein „Grundeinkommen auf Zeit“. Die Finanzierung erfolgt vollständig über Spenden. Gewinner:innen erhalten 1.200 Euro steuerfrei pro Monat – und das für ein ganzes Jahr, ohne Verpflichtungen.

Die grundlegende Idee hinter dem Experiment: Untersuchen, wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf das Leben der Menschen auswirkt. Der Verein möchte herausfinden, ob finanzielle Sicherheit das Verhalten, die Lebensqualität und die gesellschaftliche Teilhabe der Empfänger:innen nachhaltig verändert.

Teilnahmebedingungen – Wer kann mitmachen?

Nicht jede Person kann am Experiment teilnehmen. Die Auswahlkriterien sind streng definiert:

Alter: Zwischen 21 und 40 Jahren
Einkommen: Erwerbstätig mit einem Nettoeinkommen zwischen 1.100 und 2.600 Euro
Dokumentation: Monatliche Berichte über persönliche Veränderungen im Alltag
Vergleichsmethode: Jede Gewinner:in wird mit einem „Zwilling“ verglichen – einer Person mit ähnlichem Profil, die jedoch kein Grundeinkommen erhält

Durch diese enge Auswahl soll sichergestellt werden, dass die Ergebnisse möglichst realitätsnah bleiben und gesellschaftliche Trends abbilden.

Die bisherigen Ergebnisse – Was kam dabei raus?

Das Experiment beruht auf einer relativ kleinen Gruppe von 122 Teilnehmer:innen, deren Berichte die Grundlage der Auswertungen bilden. Trotzdem lassen sich spannende Erkenntnisse ableiten:

🔹 Arbeitsverhalten: Ein weit verbreitetes Vorurteil besagt, dass Menschen mit einem Grundeinkommen weniger arbeiten. Doch die Studie zeigt: Die meisten Teilnehmenden blieben beruflich genauso aktiv wie zuvor. Dieses Ergebnis widerlegt die oft geäußerte Befürchtung, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zu „Faulheit“ führen könnte.

🔹 Spar- und Konsumverhalten: Etwa 37 % des Geldes wurde gespart, während der Rest vor allem in Reisen, Kleidung, Weiterbildungen sowie soziale und familiäre Projekte investiert wurde. Dies deutet darauf hin, dass finanzielle Freiheit Menschen befähigt, gezieltere und nachhaltigere Entscheidungen über ihre Zukunft zu treffen.

🔹 Psychologische Effekte: Laut Verein berichten viele Teilnehmende von weniger finanziellen Sorgen, mehr Freiheit und einem gestärkten Selbstbewusstsein, neue Wege einzuschlagen. Finanzielle Sicherheit könnte also einen positiven Einfluss auf die mentale Gesundheit und Lebensgestaltung haben.

Neuerung seit 2023 – Rückzahlung bei hohem Einkommen

Ein bedeutender Einschnitt erfolgte 2023: Teilnehmende mit einem Nettoeinkommen von mehr als 3.350 Euro während des Förderjahres müssen das Grundeinkommen ganz oder teilweise zurückzahlen. Der Verein begründet diese Anpassung mit dem Prinzip der „Solidarität“, um eine gerechtere Verteilung der Mittel zu gewährleisten.

Doch diese Neuregelung führt zu Kritik, da sie nicht mehr mit der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens übereinstimmt. Befürworter argumentieren, dass eine solche Maßnahme notwendig sei, um die begrenzten Ressourcen effektiver einzusetzen, während Kritiker befürchten, dass sie die ursprüngliche Idee untergräbt.

Finanzierung – Eine große Idee mit großen Fragezeichen

Der Verein stützt sich in seiner Argumentation auf Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Ein Modell zeigt, dass ein Grundeinkommen theoretisch durch einen pauschalen Steuersatz von 50 % finanziert werden könnte.

Doch Experten warnen:
Dieses Szenario ist rein theoretisch und beruht auf zahlreichen Annahmen
Politisch umstritten – Ein solch hoher Steuersatz wäre wirtschaftlich riskant und schwer umsetzbar
Praktische Herausforderungen – Die Finanzierungsmechanismen und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind noch weitgehend unklar

Internationale Vergleiche – Was zeigt der Blick ins Ausland?

Auch andere Länder haben mit Formen des Grundeinkommens experimentiert. Besonders aufschlussreich war ein staatliches Pilotprojekt in Finnland:

Positiver Effekt auf das Wohlbefinden
Mehr Sicherheit und Motivation bei den Empfängern
Kaum Einfluss auf das Arbeitsverhalten

Das zeigt: Die Idee eines Grundeinkommens kann durchaus eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts bewirken, doch eine tiefgreifende Veränderung des Arbeitsmarkts bleibt fraglich.

Fazit – Ein vielversprechendes Experiment ohne endgültige Antworten

Das Projekt „Mein Grundeinkommen“ liefert wertvolle Impulse für die Debatte über finanzielle Absicherung. Es verdeutlicht, wie Menschen auf finanzielle Sicherheit reagieren – mit Mut, Verantwortung und neuen Ideen.

Doch es bleibt eben ein begrenztes Experiment. Ob ein staatliches, dauerhaftes Grundeinkommen in der Praxis funktioniert, ist nach wie vor ungeklärt. Dafür wären größere Studien, klare politische Ziele und gesellschaftlicher Wille erforderlich.

🔹 Das Konzept birgt Chancen – aber auch Herausforderungen
🔹 Wichtige Fragen zur Finanzierung und Machbarkeit sind noch offen
🔹 Eine nachhaltige Lösung muss umfassender erforscht werden

Das Experiment zeigt: Die Diskussion um ein Grundeinkommen verdient Aufmerksamkeit – aber die große Lösung muss noch gefunden werden.

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