Künstliche Intelligenz und der deutsche Arbeitsmarkt
Zwischen Arbeitsplatzabbau und digitalen Chancen
Die Digitalisierung verändert den deutschen Arbeitsmarkt grundlegend – und die Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei ein entscheidender Treiber. Doch was bedeutet der Einsatz von KI konkret für Beschäftigte, Unternehmen und die Zukunft der Arbeit in Deutschland?
ifo-Studie 2025: Fast jedes dritte Unternehmen rechnet mit Stellenabbau durch KI
Laut einer aktuellen Umfrage des ifo-Instituts vom Juni 2025 erwartet mehr als jedes vierte Unternehmen (27,1 %) in Deutschland, dass der Einsatz von KI in den kommenden fünf Jahren zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen wird. Besonders betroffen sind laut der Studie die Industrie (37,3 %) und der Handel (knapp 30 %).
Insgesamt rechnen die betroffenen Unternehmen mit einer Reduktion der Beschäftigtenzahl um rund 8 %. Gleichzeitig erwarten lediglich 5,2 % der Betriebe einen Stellenaufbau durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Zwei Drittel der Unternehmen gehen hingegen von stabilen Beschäftigungszahlen aus.
Branchenvergleich: Wer verliert Jobs – und wo entstehen neue?
Ein differenzierter Blick auf die Branchenlandschaft zeigt große Unterschiede:
Branche | Anteil Unternehmen mit Abbau-Erwartung | Entwicklung |
---|---|---|
Industrie | 37,3 % | Besonders betroffen durch Automatisierungspotenzial |
Handel | ca. 30 % | Rationalisierung in Verwaltung und Logistik |
Baugewerbe | < 20 % | Geringe Veränderung – viele manuelle Tätigkeiten |
IT & Tech | teils > 10 % Stellenzuwachs erwartet | Neue Jobprofile durch KI-Entwicklung und -Integration |
Insbesondere in technologienahen Sektoren wie IT, Softwareentwicklung und Datenanalyse entstehen bereits heute neue Arbeitsplätze – häufig mit zweistelligen Zuwachsraten. Hier werden KI-Systeme nicht nur eingesetzt, sondern auch entwickelt, trainiert und gewartet – Aufgaben, die hochqualifizierte Fachkräfte erfordern.
Trotz KI-Hype: Jobwachstum bleibt bislang aus
Ein überraschendes Ergebnis: Die Zahl der KI-bezogenen Stellenangebote stagniert seit 2022. Laut Analysen der Bertelsmann Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft liegt der Anteil entsprechender Anzeigen konstant bei rund 1,5 % – nach einer rasanten Verdopplung zwischen 2019 und 2022. Im Jahr 2025 geht die absolute Zahl sogar leicht zurück.
Hauptursache: Die wirtschaftliche Unsicherheit sowie Fachkräftemangel bremsen den Ausbau neuer KI-Jobs. Viele Unternehmen verfügen noch nicht über die Ressourcen oder das Know-how, KI-Technologien vollumfänglich zu nutzen.
Produktivitätspotenziale bleiben ungenutzt
Laut Berechnungen der Bertelsmann Stiftung könnte der KI-Einsatz die Produktivität in Deutschland um bis zu 16 % steigern. Wird dieses Potenzial jedoch nicht erschlossen, drohen gravierende Wettbewerbsnachteile – insbesondere im internationalen Vergleich.
Staatliche Rahmenbedingungen, gezielte Förderprogramme und Investitionen in digitale Infrastruktur sind daher entscheidend, um Deutschland als KI-Standort zukunftsfähig aufzustellen.
Fachkräftemangel als doppeltes Dilemma – und als Chance
Ein paradoxes Bild zeigt sich beim Thema Fachkräfte: Einerseits verhindert der Mangel an qualifizierten IT- und Datenexperten den schnellen Aufbau neuer KI-Jobs. Andererseits könnte genau dieser Mangel durch Produktivitätsgewinne mittels KI kompensiert werden – etwa wenn Routineaufgaben automatisiert werden.
Mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Generation spitzt sich die Lage zusätzlich zu. KI allein wird den Fachkräftemangel nicht lösen – wohl aber lindern, wenn parallel massiv in Weiterbildung, Umschulung und digitale Kompetenzen investiert wird.
Strategien für Unternehmen und Politik: Den Wandel gestalten
Kurzfristig: Die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt bleiben aktuell noch moderat. Unternehmen befinden sich überwiegend in einer Test- und Umsetzungsphase. Viele Pilotprojekte zielen darauf ab, Potenziale zu identifizieren, bevor größere Personalentscheidungen getroffen werden.
Langfristig: KI verändert nicht nur bestehende Tätigkeiten, sondern schafft auch völlig neue Berufsbilder – z. B. KI-Entwickler, Data Strategists oder Prompt Engineers. Unternehmen müssen gezielt Qualifizierungsmaßnahmen einführen und Mitarbeitende in den Wandel einbinden.
Empfehlung für die Politik:
- Förderung beruflicher Weiterbildung mit KI-Fokus.
- Steuerliche Anreize für Investitionen in KI-Technologien.
- Schnellere Anerkennung internationaler Fachkräfte im Digitalbereich.
Ausblick: Zwischen Umbruch und Aufbruch – KI bietet Chancen, aber braucht Gestaltung
Die aktuelle Studienlage zeigt: Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, den deutschen Arbeitsmarkt grundlegend zu verändern – mit Licht und Schatten. Zwar erwarten viele Unternehmen einen Stellenabbau, doch entstehen gleichzeitig auch neue Beschäftigungsfelder.
Anstelle von Panik sind Weitsicht und aktive Gestaltung gefragt. Nur wenn Unternehmen, Politik und Gesellschaft gemeinsam handeln, kann KI langfristig nicht nur Effizienzgewinne bringen, sondern auch zur Sicherung von Wohlstand und Beschäftigung beitragen.