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Deutschlands Zukunft? Mehr Einwohner – weniger Arbeiter?!

Die These, die besagt, dass es in Deutschland in naher Zukunft mehr Menschen geben wird, aber gleichzeitig weniger Personen im erwerbsfähigen Alter, wurde vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) auf Basis des Zensus 2022 formuliert. Diese Prognose wirft ein differenziertes Licht auf die zukünftige Bevölkerungsentwicklung Deutschlands und bringt zwei parallele Trends ans Licht: eine wachsende Gesamtbevölkerung und ein sinkendes Erwerbspersonenpotenzial. Im Folgenden werde ich die wesentlichen Punkte dieser Aussage analysieren und darauf eingehen, was daran richtig und was möglicherweise problematisch oder ergänzungsbedürftig ist.

Richtig: Die wachsende Gesamtbevölkerung

Laut der Prognose des IW wird die Einwohnerzahl Deutschlands bis 2040 um 2,3 Prozent auf etwa 85 Millionen Menschen steigen. Diese Annahme ist vor allem auf die Migration zurückzuführen. In den letzten Jahrzehnten hat Deutschland eine steigende Zuwanderung erlebt, die durch verschiedene Faktoren wie die Freizügigkeit in der EU, die Anwerbung von Fachkräften und humanitäre Fluchtbewegungen bedingt ist. Diese Migrationsströme kompensieren den seit langem anhaltenden negativen natürlichen Bevölkerungssaldo (also die Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen).

Die Prognose des IW zur wachsenden Bevölkerung ist also nachvollziehbar und basiert auf realistischen Annahmen. In den letzten Jahren haben Zuwanderungen wesentlich dazu beigetragen, dass die Bevölkerungszahl stabil geblieben oder sogar gewachsen ist. Ohne diese Zuwanderung wäre die Bevölkerungsentwicklung aufgrund niedriger Geburtenraten stark rückläufig.

Problematisch: Sinkendes Erwerbspersonenpotenzial

Die Aussage, dass das Erwerbspersonenpotenzial bis 2040 um 6 Prozent sinken wird, ist ebenfalls plausibel, basiert jedoch auf Annahmen, die in der Analyse tiefergehend betrachtet werden müssen. Hauptfaktor für diesen Rückgang ist der demografische Wandel, insbesondere das Ausscheiden der sogenannten „Babyboomer“ (Geburtsjahrgänge der 1950er und 1960er Jahre) aus dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig weist die Prognose darauf hin, dass in den jüngeren Jahrgängen deutlich weniger Geburten zu verzeichnen sind, was zu einer geringeren Anzahl an jungen Menschen führt, die in den Arbeitsmarkt eintreten.

Was in dieser Prognose jedoch möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt wird, ist der technologische Fortschritt und die damit verbundene Produktivitätssteigerung. Zwar nimmt die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter ab, aber durch Automatisierung, künstliche Intelligenz und weitere technologische Innovationen könnte sich der Arbeitsmarkt drastisch verändern. In vielen Sektoren werden durch diese Entwicklungen Arbeitsprozesse effizienter gestaltet, was den Rückgang der Erwerbsbevölkerung zumindest teilweise kompensieren könnte. Zudem kann auch die fortschreitende Digitalisierung ermöglichen, dass Menschen länger im Arbeitsprozess bleiben oder flexibler arbeiten, was den Verlust an Arbeitskräften abschwächen würde.

Richtig: Der demografische Wandel und die Überalterung

Ein weiterer Punkt, der in der Prognose genannt wird, ist der drastische Anstieg der Zahl der über 80-Jährigen um 40 Prozent bis 2040. Dieser Aspekt ist aus demografischer Sicht korrekt. Der demografische Wandel wird dazu führen, dass der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft weiter zunimmt. Das stellt Deutschland vor erhebliche Herausforderungen, besonders im Hinblick auf die Pflege, das Gesundheitssystem und die soziale Sicherung. Mit einer steigenden Zahl älterer Menschen wird der Druck auf das Rentensystem und die Pflegeinfrastruktur größer. Insofern ist die Prognose über die steigende Zahl der über 80-Jährigen realistisch und stellt eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft Deutschlands dar.

Was fehlt: Potenzielle Maßnahmen und Lösungsansätze

Die Prognose des IW beschreibt die Entwicklungen der Bevölkerungsstruktur recht detailliert, geht jedoch nicht auf mögliche Gegenmaßnahmen oder Handlungsoptionen ein. Es gibt verschiedene Strategien, die die negativen Auswirkungen des demografischen Wandels abmildern könnten.

  1. Zuwanderungspolitik: Eine gezielte und gut gesteuerte Zuwanderungspolitik könnte helfen, das Erwerbspersonenpotenzial zu stabilisieren. Hierbei wäre es wichtig, gut qualifizierte Fachkräfte ins Land zu holen, um den Fachkräftemangel auszugleichen und die Wirtschaftskraft zu sichern.
  2. Erhöhung der Geburtenrate: Auch wenn dies nur langfristig eine Lösung sein kann, wäre es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, die die Geburtenrate in Deutschland erhöhen. Dazu könnten familienfreundlichere Arbeitsbedingungen, besserer Zugang zu Kinderbetreuung und finanzielle Anreize für Familien gehören.
  3. Längere Lebensarbeitszeit: Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit könnte ebenfalls eine mögliche Reaktion auf den Rückgang der Erwerbspersonen sein. Wenn Menschen länger im Arbeitsprozess bleiben, kann dies den Arbeitskräftemangel reduzieren. Bereits jetzt wird das Renteneintrittsalter schrittweise angehoben, und es gibt Debatten über weitere Erhöhungen.
  4. Bessere Integration von Frauen und älteren Menschen in den Arbeitsmarkt: Frauen sind in Deutschland noch immer unterrepräsentiert, wenn es um Führungspositionen und Vollzeitarbeit geht. Ebenso könnten ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden, wenn Arbeitsbedingungen und Arbeitsmodelle flexibler gestaltet würden.

Zusammengefasst:

Die These, dass Deutschland in naher Zukunft mehr Einwohner, aber weniger Personen im erwerbsfähigen Alter haben wird, ist größtenteils korrekt. Sie basiert auf validen demografischen Daten und reflektiert den bestehenden Trend des demografischen Wandels. Insbesondere die Überalterung der Gesellschaft und der Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials sind realistische Prognosen, die bereits jetzt Auswirkungen auf die Arbeitswelt und das Sozialsystem haben.

Allerdings lässt die Prognose des IW wichtige Aspekte unberücksichtigt, die das Erwerbspersonenpotenzial stabilisieren könnten. Dazu gehören die Potenziale durch technologische Fortschritte, eine bessere Zuwanderungspolitik, die Förderung der Geburtenrate sowie die Integration von Frauen und älteren Menschen in den Arbeitsmarkt. Der Rückgang der Erwerbsbevölkerung stellt zweifellos eine Herausforderung dar, doch gibt es verschiedene Hebel, um diesem Trend entgegenzuwirken.

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