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UN-Plastikabkommen: Warum die Verhandlungen in Genf scheiterten

Ein globales Problem, das nicht warten kann

Plastik ist zu einem ständigen Begleiter unseres Alltags geworden: Verpackungen, Textilien, Autoteile, Elektronik – kaum ein Bereich kommt ohne Kunststoffe aus. Doch die Kehrseite ist dramatisch: Jahr für Jahr gelangen Millionen Tonnen Plastikmüll in Böden, Flüsse und Ozeane. Mikroplastik findet sich mittlerweile in der Luft, in Lebensmitteln und sogar im menschlichen Blut. Wissenschaftler warnen vor weitreichenden Schäden für Ökosysteme und vor wirtschaftlichen Folgekosten in Billionenhöhe.

Um diese Krise zu bekämpfen, startete die UNO 2022 eine Reihe von Verhandlungsrunden mit dem Ziel eines verbindlichen, weltweiten Plastikabkommens. Der letzte Anlauf fand nun im August 2025 in Genf statt – und endete ohne Einigung.


Die Fronten in Genf: Ambition gegen Blockade

Über 180 Staaten reisten nach Genf. Ihr Ziel: ein rechtlich verbindliches Abkommen, das den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen reguliert – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. Doch die Positionen hätten unterschiedlicher kaum sein können:

  • Die ambitionierte Mehrheit
    Über 100 Staaten – darunter Deutschland, viele EU-Länder sowie zahlreiche Entwicklungs- und Inselstaaten – forderten klare Produktionsobergrenzen, ein Verbot bestimmter Einwegplastikprodukte und verbindliche Recyclingquoten. Ihr Ansatz: Das Problem an der Wurzel bekämpfen, indem nicht nur Müll beseitigt, sondern die Herstellung von neuem Plastik deutlich reduziert wird.
  • Die bremsende Minderheit
    Mächtige erdölproduzierende Länder wie Saudi-Arabien, Iran, Russland und auch die USA lehnten jede Beschränkung der Kunststoffproduktion ab. Sie wollten den Fokus auf Abfallbeseitigung legen. Der Hintergrund: Kunststoff wird aus Erdöl hergestellt, und eine Produktionsbegrenzung hätte direkte wirtschaftliche Auswirkungen auf diese Staaten.

Warum die Gespräche scheiterten

  1. Unüberbrückbare Interessen
    Staaten mit großen Ölreserven blockierten jede Form von Beschränkung der Primärproduktion. Für sie ist Erdöl nicht nur ein Rohstoff, sondern ein zentraler Bestandteil ihrer Wirtschaft und Exportpolitik.
  2. Verwässerte Vertragsentwürfe
    Während der Verhandlungen wurden fast alle bindenden Verpflichtungen aus den Entwürfen gestrichen. Für die Befürworter eines strengen Abkommens wäre dies eine reine Symbolpolitik ohne wirkliche Wirkung gewesen.
  3. Kritik an mangelnder Ambition
    Umweltorganisationen wie WWF und Greenpeace warnten, ein schwaches Abkommen könne sogar schädlicher sein als gar keins, da es den Eindruck von Fortschritt erwecke, während sich die Lage in Wahrheit weiter verschlechtert.
  4. Finanzierungs- und Umsetzungsfragen
    Viele ärmere Staaten forderten finanzielle Unterstützung für den Aufbau von Recyclinginfrastruktur und klar definierte Kontrollmechanismen. Ohne diese Zusagen sahen sie keine realistische Umsetzung.
  5. Gesundheits- und Umweltbelastungen
    Neueste Studien belegen, dass Plastik nicht nur Meereslebewesen bedroht, sondern auch in menschlichen Organismen nachweisbar ist – oft mit unbekannten Langzeitfolgen. Dies erhöht den Handlungsdruck, den jedoch nicht alle Staaten anerkennen.

Stimmen aus den Verhandlungen

  • Die EU-Umweltkommissarin sprach von einer „enttäuschenden Bilanz“ nach zehn Tagen intensiver Gespräche.
  • Greenpeace und WWF betonten, dass eine Mehrheit der Staaten bereit gewesen wäre, ambitionierte Schritte zu gehen – aber einige wenige, wirtschaftlich mächtige Länder verhinderten konkrete Maßnahmen.
  • Der deutsche Umwelt-Staatssekretär hob hervor, dass Deutschland auch weiterhin auf ein wirksames Abkommen drängen werde.

Wie es weitergehen könnte

Der Stillstand ist kein endgültiges Aus. Viele Beteiligte sehen darin sogar einen Vorteil: Kein Abkommen ist besser als ein Vertrag, der nichts ändert. Die nächsten Monate werden zeigen, ob bei einer weiteren Verhandlungsrunde Kompromisslinien möglich sind.

Fakt ist: Ohne tiefgreifende Maßnahmen könnte sich die weltweite Menge an Plastikmüll bis 2060 verdreifachen – mit unabsehbaren Folgen für Umwelt, Gesundheit und Wirtschaft.


Fazit

Das Scheitern in Genf ist keine Kapitulation, sondern ein Weckruf. Die Plastikkrise kennt keine Grenzen – weder geographisch noch politisch. Ein wirksames, verbindliches Abkommen bleibt die einzige Möglichkeit, das Problem in den Griff zu bekommen.

Bis dahin liegt es an Staaten, Unternehmen und einer engagierten Zivilgesellschaft, den Druck aufrechtzuerhalten. Denn die Zeit, in der sich die Welt den Luxus langwieriger Blockaden leisten konnte, ist vorbei.

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