Bremsen oder Turbo? Streit um die Energiewende
Kaum im Amt, sorgt Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche (CDU) für Aufruhr. Ihr Rezept: weniger Tempo, mehr Kostenkontrolle bei der Energiewende. Doch die Kritik ist laut – SPD, Umweltverbände und Wissenschaft schlagen Alarm: Wer jetzt bremst, gefährdet nicht nur die Klimaziele, sondern auch Wirtschaft und Bürger.
Reiches Kurs: „So viel wie nötig – nicht so viel wie möglich“
Im neuen Monitoringbericht zur Energiewende stellte Reiche ihre Linie vor. Der Strombedarf werde bis 2030 wohl nicht so stark steigen wie bislang angenommen. Also brauche es nicht den maximalen Ausbau, sondern einen „realistischen“.
Ihr 10-Punkte-Plan klingt nüchtern, hat aber Sprengkraft:
- Förderungen für private Solaranlagen und Bürgerprojekte sollen zurückgefahren werden.
- Systemkosten und Netzstabilität rücken in den Mittelpunkt.
- Ergänzend setzt Reiche auf flexible Gaskraftwerke, Speicher und Biomasse.
Ihre Botschaft: „Die Energiewende muss bezahlbar bleiben.“ Laut Ministerin könnten die Gesamtkosten so von über 700 Milliarden Euro auf rund 400 Milliarden sinken.
SPD und Umweltverbände: „Ein riskantes Spiel“
Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) sieht das völlig anders: „Wer jetzt auf die Bremse tritt, verspielt die Zukunft.“ Auch Umweltorganisationen warnen vor einem Rückschritt.
Ihre Kritik:
- Ohne massiven Ausbau von Wind und Solar sei 80 Prozent Ökostrom bis 2030 nicht machbar.
- Kürzungen bei Bürgerenergie-Projekten könnten die Akzeptanz gefährden.
- Ein langsamerer Ausbau führe zwangsläufig zu Engpässen und höheren Preisen.
Die Botschaft der Gegner: Bremsen heißt zurückfallen – wirtschaftlich, gesellschaftlich und klimapolitisch.
Wirtschaft im Zangengriff
Die Industrie reagiert mit Sorge. Chemie- und Stahlkonzerne brauchen riesige Mengen grünen Stroms, ebenso die geplante Wasserstoffwirtschaft. Ohne Planungs- und Investitionssicherheit drohe die Abwanderung ins Ausland.
Ein Branchenvertreter bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen mehr Grünstrom, nicht weniger. Sonst bauen andere die Fabriken – und nicht wir.“
Bürger als Verlierer?
Besonders heikel: Reiches Idee, Förderungen für private Solaranlagen zu kürzen. Damit könnten genau die Projekte leiden, die die Energiewende vor Ort tragen – auf Dächern, in Dörfern, in Bürgergenossenschaften.
Die Folge: Weniger Teilhabe, weniger Akzeptanz. Ein Signal, das viele für gefährlich halten.
Klimaziele in Gefahr
Für Klimaforscher ist klar: Jede Verzögerung heute erhöht den Druck morgen. Deutschland riskiere nicht nur seine Klimaneutralität bis 2045, sondern auch seine Glaubwürdigkeit als Vorreiter.
„Wer jetzt spart, zahlt später doppelt“, warnt ein Experte.
Fazit: Kurs auf Kollision
Die Energiewende ist zum politischen Showdown geworden: Kostenbremse gegen Klimaschutz, Realismus gegen Ambition.
Reiches Strategie mag kurzfristig finanziell entlasten – doch sie verschärft die Fronten.
Deutschland muss entscheiden: Will es mit voller Kraft ins Zeitalter der erneuerbaren Energien oder mit angezogener Handbremse riskieren, international abgehängt zu werden?

