Doctolib im Visier: Wenn die Online-Terminbuchung zur Kostenfalle wird
Die Bundesregierung prüft eine stärkere Regulierung von Online-Gesundheitsplattformen wie Doctolib – denn viele gesetzlich Versicherte berichten von intransparenten Buchungsvorgängen und versteckten Kosten. Was steckt hinter den Vorwürfen?
Immer mehr Menschen buchen Arzttermine online – schnell, komfortabel, oft in wenigen Klicks. Plattformen wie Doctolib sind zu einem festen Bestandteil der modernen Gesundheitsversorgung geworden. Doch hinter dem digitalen Komfort verbirgt sich für viele gesetzlich Versicherte eine unerwartete Kostenfalle.
Selbstzahlertermine trotz Kassenfilter – eine weit verbreitete Erfahrung
Die Suchfunktionen von Doctolib wirken zunächst benutzerfreundlich: Fachrichtung, Ort, Datum, Versicherungstyp – alles lässt sich individuell filtern. Wer jedoch explizit „nur Termine für gesetzlich Versicherte“ auswählt, wird nicht selten enttäuscht. Denn trotz dieser Einschränkung erscheinen immer wieder Termine, die sich bei genauerem Hinsehen als Selbstzahlerangebote entpuppen. Der Hinweis darauf erfolgt oft erst im letzten Buchungsschritt – mitunter verbunden mit der Aufforderung, bis zu 200 Euro in bar mitzubringen.
Für viele Patientinnen und Patienten ist das nicht nur frustrierend, sondern auch irreführend – und kann im schlimmsten Fall zu hohen Kosten führen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden.
Verbraucherschützer klagen gegen Doctolib
Die Kritik ist mittlerweile auch auf juristischer Ebene angekommen: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat im April 2025 eine Unterlassungsklage gegen Doctolib beim Landgericht Berlin eingereicht. Der Vorwurf: Die Plattform täusche Kassenpatienten durch unklare Darstellung kostenpflichtiger Angebote.
Besonders problematisch sei, dass Patientinnen und Patienten oft erst unmittelbar vor der Buchung erkennen, dass es sich um eine privat finanzierte Leistung handelt. Die Transparenz, auf die sich Doctolib beruft, sei somit nur auf dem Papier gegeben, so die Verbraucherschützer.
Das Unternehmen selbst weist die Kritik zurück. Die Anzeige schneller verfügbarer Termine – auch wenn sie kostenpflichtig seien – diene der Effizienz. Außerdem erfülle die Filterfunktion laut Doctolib die gesetzlichen Anforderungen des Sozialgesetzbuchs. Man betone zudem, dass alle Kosten vor Abschluss der Buchung transparent gemacht würden.
Regierung prüft rechtliche Nachbesserung
Die Diskussion hat mittlerweile auch die Bundespolitik erreicht. Das Bundesgesundheitsministerium prüft laut internen Quellen, ob es gesetzlichen Handlungsbedarf bei privaten Terminvermittlungsplattformen gibt. Geplant ist, das Thema im Rahmen der Reform der ambulanten Versorgung und einer möglichen Regierungskommission aufzugreifen.
Im Fokus steht dabei nicht nur die technische Funktionalität von Plattformen wie Doctolib, sondern die Grundfrage, ob derzeitige Regelungen ausreichen, um Chancengleichheit beim Zugang zu medizinischen Leistungen sicherzustellen. Denn: Der digitale Zugang darf nicht dazu führen, dass zahlungskräftige Patientengruppen bevorzugt werden – ein zentrales Anliegen auch aus Sicht der Verbraucherverbände.
Wer nicht zahlt, wartet – oder sucht weiter
Die Realität zeigt ein klares Bild: Wer nicht bereit ist, privat zu zahlen, muss oft mit langen Wartezeiten rechnen. So ergab eine Recherche des rbb bereits 2023, dass gesetzlich Versicherte in Berlin im Schnitt 76 Tage auf einen Facharzttermin warten mussten – Privatversicherte hingegen nur 22 Tage.
Diese Diskrepanz ist nicht allein Doctolib zuzuschreiben. Vielmehr verweist sie auf ein strukturelles Problem: Obwohl es in Deutschland eine vergleichsweise hohe Dichte an Fachärzten gibt, fehlt es an einer effizienten Steuerung von Kapazitäten. Digitale Plattformen könnten hier eine Lösung bieten – wenn sie fair und transparent funktionieren würden.
Verbraucherschützer fordern sofortiges Handeln
Thomas Moormann vom vzbv sieht in den Missständen kein singuläres Problem einzelner Anbieter, sondern ein systemisches Versagen: künstlich verknappte telefonische Erreichbarkeit, intransparente Zusatzleistungen, priorisierte Privatpatienten – all das sei längst Alltag in vielen Praxen.
Moormann fordert: „Die Bundesregierung muss jetzt handeln und klare gesetzliche Vorgaben schaffen – nicht erst nach jahrelangen Kommissionsdebatten.“ Nur so könne das Vertrauen in die Digitalisierung des Gesundheitswesens gewahrt bleiben.
Welche Alternativen bleiben Patienten?
Trotz der Kritik nutzen viele weiterhin Plattformen wie Doctolib oder Jameda – schlicht mangels Alternativen. Gesetzlich Versicherte können theoretisch auf die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen zurückgreifen. Voraussetzung dafür ist allerdings meist ein Dringlichkeitscode der Hausarztpraxis. Nach dessen Ausstellung muss laut Gesetz binnen vier Wochen ein Termin bei einem Facharzt vermittelt werden – die Praxis zeigt jedoch: Das gelingt nicht immer.
Fazit: Digital ja – aber fair und gesetzeskonform
Die Online-Terminvergabe ist aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken – doch sie muss fair, transparent und rechtskonform ablaufen. Der Fall Doctolib zeigt: Es braucht klare Regeln und eine konsequente Regulierung, um digitale Gesundheitsangebote zum Wohl aller Patientinnen und Patienten zu gestalten – und nicht zur Geduldsprobe oder zur versteckten Kostenfalle zu machen.