Etabliertes Mittel mit neuem Nutzen
Allergiespray könnte Risiko einer Corona-Infektion reduzieren
Ein seit Jahrzehnten bewährter Wirkstoff gegen Heuschnupfen könnte in der kühlen Jahreszeit einen überraschenden Zusatznutzen entfalten. Laut einer aktuellen klinischen Studie senkt die regelmäßige Anwendung von Azelastin-Nasenspray das Risiko, sich mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 zu infizieren. Darüber hinaus deuten die Daten darauf hin, dass auch andere Atemwegsinfekte seltener auftreten.
Zunehmende Relevanz in der Herbst- und Wintersaison
Seit einigen Wochen steigen die Covid-19-Infektionszahlen wieder an – ein Muster, das aus den vergangenen Jahren bekannt ist. In der kalten Jahreszeit kommt es typischerweise zu einem verstärkten Infektionsgeschehen, da sich Menschen häufiger in Innenräumen aufhalten und Atemwegsviren leichter übertragen werden. Vor diesem Hintergrund erhält die aktuelle Untersuchung der Universität des Saarlandes besondere Aufmerksamkeit: Erstmals konnte in einer klinischen Alltagssituation gezeigt werden, dass ein bewährtes Allergiemedikament eine präventive Wirkung gegen Virusinfektionen entfalten kann.
Der Wirkstoff Azelastin
Azelastin gehört zur Gruppe der Antihistaminika. Es wird seit den 1990er-Jahren in Form von Nasensprays und Augentropfen zur Behandlung von Heuschnupfen eingesetzt. Mit seiner entzündungshemmenden und antiallergischen Wirkung lindert es zuverlässig Symptome wie
- Juckreiz,
- Niesen,
- verstopfte Nase oder
- tränende Augen.
Da das Präparat bereits seit Langem zugelassen ist, gilt seine Verträglichkeit und Sicherheit als gut dokumentiert. Neben der antihistaminischen Wirkung zeigten Laboruntersuchungen in den vergangenen Jahren auch, dass Azelastin eine antivirale Aktivität gegenüber bestimmten Atemwegsviren entfalten kann. Diese Beobachtung war ein wichtiger Ausgangspunkt für die nun durchgeführte klinische Studie.
Ergebnisse der klinischen Studie
Für die Untersuchung wurden 450 erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt:
- Interventionsgruppe (n = 227): dreimal täglich Anwendung eines Nasensprays mit Azelastin über einen Zeitraum von 56 Tagen.
- Kontrollgruppe (n = 223): im gleichen Zeitraum Anwendung eines wirkstofffreien Placebo-Sprays.
Die Resultate waren deutlich:
- 2,2 % der Personen in der Azelastin-Gruppe infizierten sich mit Sars-CoV-2.
- In der Placebo-Gruppe lag die Rate bei 6,7 % – also mehr als dreimal so hoch.
Alle Infektionen wurden per PCR-Test bestätigt. Die placebokontrollierte Studie wurde im renommierten Fachjournal JAMA Internal Medicine veröffentlicht, was die wissenschaftliche Bedeutung der Ergebnisse unterstreicht.
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis: Auch andere Atemwegsinfekte – etwa durch Rhinoviren (häufigste Ursache von Erkältungen) – traten in der Azelastin-Gruppe seltener auf. Damit deutet sich ein möglicher Zusatznutzen über die Covid-19-Prävention hinaus an.
Einordnung und praktische Bedeutung
Studienmitautor Prof. Robert Bals, Direktor der Klinik für Innere Medizin V am Universitätsklinikum des Saarlandes, betont:
„Es handelt sich um die erste klinische Studie, die im Alltag einen präventiven Effekt von Azelastin gegen Atemwegsinfektionen zeigt.“
Er sieht mögliche Einsatzgebiete insbesondere für
- gefährdete Risikogruppen (z. B. ältere Menschen oder Personen mit chronischen Erkrankungen),
- Zeiten hoher Infektionszahlen,
- sowie vor Reisen oder größeren Veranstaltungen, bei denen ein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht.
Wichtig ist: Das Spray ersetzt keine etablierten Schutzmaßnahmen wie Impfungen, das Tragen von Masken in Risikosituationen oder allgemeine Hygieneregeln. Es könnte jedoch als ergänzende Schutzmaßnahme dienen und so das individuelle Infektionsrisiko weiter senken.
Hintergrund und Ausblick
An der Studie waren neben der Universität des Saarlandes auch Industriepartner und Einrichtungen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge beteiligt. Weitere Untersuchungen sind bereits in Planung:
- Es soll geprüft werden, ob der präventive Effekt auch über längere Zeiträume anhält.
- Zudem soll untersucht werden, welche Zielgruppen am meisten profitieren.
- Offen bleibt auch die Frage, ob sich die Wirkung auf neue Virusvarianten von Sars-CoV-2 oder auf andere relevante Atemwegserreger übertragen lässt.
Damit eröffnet sich eine interessante Perspektive: Ein seit Jahrzehnten etabliertes Medikament könnte sich in Zukunft als einfache, sichere und leicht verfügbare Ergänzung im Kampf gegen Atemwegsinfektionen erweisen.

