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Kabinett verabschiedet umfassendes Reformpaket zur Modernisierung Deutschlands

Mit mehr als 80 Einzelmaßnahmen will die Bundesregierung den Staat modernisieren, die Verwaltung verschlanken und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nachhaltig stärken. Das ambitionierte Reformpaket wurde am Dienstagabend zum Abschluss der zweitägigen Klausurtagung des Bundeskabinetts in Berlin verabschiedet.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bezeichnete das Maßnahmenpaket als umfassende Modernisierungsagenda und erklärte: „Wir haben den Anspruch, dass wir international wieder an die Spitze kommen.“ Oberstes Ziel sei es, sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen durch konkrete Maßnahmen spürbar zu entlasten und Deutschland als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig aufzustellen.


Eckpfeiler des Reformpakets

Nach Angaben der Bundesregierung handelt es sich bei der Modernisierungsagenda um einen verbindlichen, ressortübergreifenden Fahrplan mit klar definierten Zeitrahmen und Verantwortlichkeiten. Vier zentrale Handlungsfelder stehen im Mittelpunkt:

1. Bürokratieabbau
Die Bundesregierung plant, Verwaltungsvorgaben und Berichtspflichten deutlich zu reduzieren. Bis 2029 sollen die Bürokratiekosten um 25 Prozent sinken – das entspricht einer jährlichen Entlastung von rund 16 Milliarden Euro. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen durch vereinfachte Meldepflichten und weniger Dokumentationsanforderungen profitieren.

2. Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI)
Verwaltungsprozesse sollen auf allen Ebenen – von der Kommune bis zum Bund – konsequent digitalisiert werden. KI-basierte Verfahren sollen vor allem bei Antragsbearbeitungen, Bürgerberatung und Genehmigungsverfahren zum Einsatz kommen. Ziel ist es, Bearbeitungszeiten zu verkürzen und die Servicequalität spürbar zu verbessern.

3. Verwaltungsmodernisierung
Geplant ist ein Personalabbau in den Bundesministerien, der überwiegend durch natürliche Fluktuation erfolgen soll. Gleichzeitig sollen Entscheidungsstrukturen gestrafft und Abläufe verschlankt werden. Beschäftigte sollen verstärkt in digitalen Kompetenzen geschult werden, um die Transformation aktiv zu gestalten.

4. Innovations- und Technologieförderung
Investitionen in Schlüsseltechnologien wie grünen Wasserstoff, Quantenforschung, Biotechnologie und – besonders umstritten – Kernfusion sollen die Innovationskraft des Standorts Deutschland sichern.

Digitalisierungsminister Karsten Wildberger (CDU) nannte das Paket einen „großen und längst überfälligen Schritt, um Bürger und Unternehmen in ihrem Alltag konkret zu entlasten und Deutschland fit für die Zukunft zu machen“.


23 zentrale Hebelprojekte

Besondere Bedeutung haben die 23 sogenannten „Hebelprojekte“, die kurzfristig spürbare Verbesserungen bringen sollen. Beispiele:

  • Unternehmensgründung in 24 Stunden: Ein zentrales Webportal soll ermöglichen, neue Firmen binnen eines Werktages vollständig zu registrieren und steuerlich zu erfassen. Damit würde Deutschland im internationalen Vergleich, etwa mit Estland oder Singapur, deutlich aufholen.
  • Online-Kfz-Zulassung: Über ein neues, bundesweites Portal des Kraftfahrt-Bundesamtes sollen Fahrzeuge künftig vollständig digital an-, um- und abgemeldet werden können – unabhängig von Öffnungszeiten.
  • Direktauszahlungsmechanismus für staatliche Hilfen: Zuschüsse, Prämien oder Entlastungspakete sollen künftig ohne Umwege direkt auf die Konten von Bürgerinnen und Bürgern überwiesen werden. Die Corona-Pandemie hatte gezeigt, wie problematisch das Fehlen eines solchen Systems ist.
  • Bürgerbeteiligung beim Bürokratieabbau: Über ein Online-Meldeportal sollen Bürger und Unternehmen Vorschläge zur Vereinfachung von Regeln einbringen können. Damit will die Bundesregierung Praxiswissen gezielt nutzen.

Weitere Projekte betreffen die digitale Gesundheitsakte mit erweiterten Patientenrechten, die Beschleunigung von Baugenehmigungen durch KI-Prüfverfahren sowie die Vereinfachung des Steuerrechts.


Fachkräfte und Außenwirtschaft

Ein strategischer Schwerpunkt liegt auf der Fachkräftesicherung. Mit einer zentralen digitalen Work-and-Stay-Agentur sollen Visa-Verfahren, Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Sprachförderung und Integrationsangebote gebündelt werden. Ziel ist es, Wartezeiten von mehreren Monaten auf wenige Wochen zu reduzieren.

Für exportorientierte Unternehmen, vor allem aus dem Mittelstand, soll eine KI-gestützte Außenwirtschaftsplattform entstehen. Sie bündelt Angebote zu Exportfinanzierung, Marktzugang und Entwicklungszusammenarbeit, um den Zugang zu internationalen Märkten zu erleichtern.


Energie- und Baupolitik

Einen umstrittenen Akzent setzt der Beschluss, bis 2040 ein kommerzielles Kernfusionskraftwerk in Deutschland zu errichten. Unter dem Titel Fusion 2040 sollen über zwei Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert werden. Fachleute betonen jedoch, dass ein marktreifes Fusionskraftwerk bis 2040 technisch kaum erreichbar sei. Derzeit gibt es weltweit nur experimentelle Anlagen wie ITER in Frankreich, und ein kommerzieller Einsatz wird von Experten frühestens für die zweite Hälfte des Jahrhunderts erwartet.

Parallel dazu soll eine leistungsfähige Wasserstoffinfrastruktur aufgebaut werden: Importterminals, Pipelines und Speicherstätten sollen beschleunigt entstehen, ergänzt durch Förderprogramme für inländische Produktion aus erneuerbaren Energien.

Mit dem sogenannten „Bau-Turbo“ sollen Genehmigungsverfahren durch Digitalisierung, Standardisierung und zusätzliche Fachkräfte in Bauämtern erheblich verkürzt werden. Ziel ist, mehr Wohnraum schneller und günstiger verfügbar zu machen.


Zustimmung und Kritik

Bundeskanzler Merz und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) lobten die Beschlüsse als „wichtigen und notwendigen Modernisierungsschub“.

Die Opposition äußerte jedoch Bedenken:

  • SPD-Chef Lars Klingbeil würdigte die Zusammenarbeit, mahnte aber: „Ankündigungen allein schaffen keine bezahlbaren Wohnungen und keine moderne Verwaltung.“
  • Die Grünen kritisierten eine „Technikgläubigkeit“ ohne ausreichende Finanzierung. Parteichef Felix Banaszak warf der Regierung vor, sozialen Zusammenhalt und echten Klimaschutz zu vernachlässigen.
  • Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) begrüßte den Reformansatz, verlangte jedoch schnelle Gesetzgebung und praktische Umsetzung: „Für die Betriebe zählt die spürbare Entlastung im Alltag.“
  • Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hob die Fortschritte bei Fachkräften und Digitalisierung hervor, forderte jedoch zugleich niedrigere Energiepreise.

Ausblick

Die Umsetzung dieser umfassenden Reformagenda wird in den kommenden Monaten zum Prüfstein für die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Entscheidend wird sein, ob die ambitionierten Pläne tatsächlich in konkrete Verbesserungen übersetzt werden – und ob Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen die versprochenen Entlastungen im Alltag spürbar wahrnehmen.

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