BildungPolitikReisen

Revolution bei den Sommerferien? – Was wirklich hinter der Debatte um die Ferienregelung steckt

Die Sommerferien sind für viele Familien in Deutschland der jährliche Höhepunkt – und zugleich ein organisatorisches Mammutprojekt. Seit Jahrzehnten regeln die Bundesländer im Wechsel ihre Ferientermine, um Reiseverkehr zu entzerren und Tourismusinfrastrukturen zu entlasten. Doch eine neue Forderung aus Nordrhein-Westfalen sorgt derzeit für Bewegung in der gewohnten Ferienordnung: Sollen Bayern und Baden-Württemberg künftig nicht mehr automatisch als Letzte in die Sommerferien starten?

Was steckt hinter dieser Diskussion, welche Argumente führen die Beteiligten an – und wie realistisch ist eine grundlegende Änderung?


Was ist passiert?

Nordrhein-Westfalens Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung ihre Forderung nach einer gerechteren Regelung der Sommerferien bekräftigt. Insbesondere kritisiert sie, dass Bayern und Baden-Württemberg seit Jahrzehnten von einer ständigen Sonderstellung profitieren: Beide Länder starten traditionell stets am Ende der Sommerferienzeit – und genießen damit Vorteile bei Urlaubsbuchungen, wie z. B. niedrigere Preise der Nebensaison.

Ministerin Feller forderte daher eine gleichberechtigte Ferienregelung für alle Bundesländer und kündigte an, das Thema in der Kultusministerkonferenz (KMK) erneut einzubringen. Ihre bayerische Amtskollegin sei bereits über den Vorstoß informiert worden.


Warum starten Bayern und Baden-Württemberg immer zuletzt?

Tatsächlich gelten für die beiden südlichen Bundesländer seit den 1970er Jahren Sonderregelungen, die im Konsens mit den übrigen Ländern getroffen wurden. Die Hauptargumente dafür:

  • Pfingstferien: Beide Länder haben etwa zweiwöchige Ferien rund um Pfingsten (Mai/Juni), was eine spätere Sommerpause sinnvoll erscheinen lässt, um die schulfreie Zeit besser zu verteilen.
  • Agrarische Traditionen: Historisch wurde argumentiert, dass Schulkinder in ländlichen Regionen bei der Ernte helfen müssten – ein Aspekt, der heute weitgehend überholt ist.

Während die Pfingstferien weiterhin existieren, wird der Erntehelfer-Aspekt zunehmend als unzeitgemäß kritisiert – auch von Feller selbst, die diesen Grund für „nicht mehr plausibel“ hält.


Der aktuelle Stand der Ferienregelung

Die Sommerferien in Deutschland sind aus verkehrs- und tourismuspolitischen Gründen gestaffelt: Zwischen Ende Juni und Mitte August wechseln sich die Bundesländer im Turnus ab. Ziel ist es, Verkehrsströme zu entzerren, Überbuchungen zu vermeiden und wirtschaftliche Kapazitäten besser zu nutzen.

Allerdings:

  • Bayern und Baden-Württemberg starten immer in der letzten Feriengruppe.
  • Andere Länder – wie NRW, Hessen oder Schleswig-Holstein – rotieren durch alle Startzeiträume und haben dadurch auch mit frühen Ferienstarts (Ende Juni) zu leben, was etwa für Abiturienten, Lehrpläne oder Reisebuchungen problematisch sein kann.

Was fordert Nordrhein-Westfalen?

Ministerin Feller fordert, dass sich auch Bayern und Baden-Württemberg in die Rotation einfügen, um eine gleichberechtigte Verteilung der Ferienzeiten zu ermöglichen. Besonders NRW fühlt sich benachteiligt, da es mit rund 2,5 Millionen Schülerinnen und Schülern das bevölkerungsreichste Bundesland ist und regelmäßig sehr früh in die Sommerferien starten muss – oft mit Auswirkungen auf Prüfungszeiträume und pädagogische Planung.

Die Forderung ist politisch motiviert, hat jedoch keine unmittelbaren Konsequenzen, denn:

  • Die Ferientermine bis einschließlich 2029 sind bereits verbindlich zwischen den Ländern abgestimmt.
  • Eine Änderung wäre frühestens ab 2030 möglich.
  • Die Kultusministerkonferenz müsste eine einstimmige Regelung treffen – ein Prozess, der erfahrungsgemäß zeitaufwendig und von regionalpolitischen Interessen geprägt ist.

Stimmen aus den Bundesländern

  • NRW (Dorothee Feller): „Man hätte auch gerne einmal einen späteren Ferienstart.“ Die traditionellen Begründungen Bayerns seien aus heutiger Sicht überholt.
  • Bayern und Baden-Württemberg: Halten weiterhin an ihrer Regelung fest und verweisen auf die Besonderheiten ihres Schuljahresablaufs (Pfingstferien, Schuljahresende meist Ende Juli).
  • Kritiker: Argumentieren, dass diese Länder durch den späten Ferienbeginn buchungstechnisch bevorzugt sind und von Nebensaisonpreisen profitieren – insbesondere beim Pauschaltourismus.


Fazit: Eine echte Debatte, aber keine Revolution

Die Forderung aus Nordrhein-Westfalen ist ernst gemeint und trifft einen wunden Punkt in der föderalen Bildungspolitik. Doch der Weg zu einer Neuregelung der Sommerferien ist lang und komplex – von einer „Revolution“ kann daher keine Rede sein.

Was sich aber zeigt: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben sich verändert. Traditionen wie Erntearbeit durch Schulkinder sind nicht mehr zeitgemäß, und die Belastungen durch frühe Ferienstarts treffen Länder wie NRW zunehmend hart. Die Debatte ist also mehr als Symbolpolitik – sie rührt an grundlegende Fragen von Fairness und Planbarkeit im föderalen Bildungssystem.

Ob sich bis zum Sommerurlaub 2030 tatsächlich etwas ändert, bleibt offen. Doch bis dahin gilt: Die Ferien kommen – nur wie gewohnt nicht für alle gleichzeitig.

Schreibe einen Kommentar