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Warum Fliegen in Deutschland zum Luxusgut wird – Hintergründe einer Preisexplosion

Fliegen war lange Zeit die günstigste Art, Europa schnell zu erkunden – doch diese Zeiten sind vorbei. Wer im Jahr 2025 einen Flug innerhalb Europas buchen möchte, wird beim Preisvergleich oft stutzen: Selbst bei sogenannten Billigfliegern sind Ticketpreise in Höhen geklettert, die früher Linienflügen vorbehalten waren. Ein aktueller Bericht der Deutschen Presse-Agentur (DPA) bestätigt: Die Flugpreise in Deutschland sind regelrecht explodiert – und der Trend zeigt weiter nach oben.

Doch woran liegt das? Warum ist das Fliegen ausgerechnet in Deutschland so teuer geworden? Eine detaillierte Analyse zeigt: Die Ursachen sind vielfältig – aber vor allem hausgemacht.


1. Die Faktenlage: Fliegen wird spürbar teurer

Daten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom März 2025 machen die Preisentwicklung deutlich:

  • Wizz Air verlangt durchschnittlich 67 € für ein One-Way-Ticket ohne Gepäck.
  • Ryanair liegt inzwischen bei 80 € – ein Anstieg von gut 20 % im Vergleich zum Vorjahr.
  • Eurowings veranschlagt im Schnitt 130 €, nach 110 € im Vorjahr.
  • Besonders Kurzfristbuchungen fallen preislich stark ins Gewicht: Wer spontan fliegt, zahlt bei Eurowings bis zu 169 € pro Strecke – selbst für kurze Strecken innerhalb Europas.
  • Einzelne Preis-Ausreißer unterstreichen die Entwicklung: Ein Flug von Düsseldorf nach Stockholm kostete eine Woche vor Abflug stolze 499,99 €.

2. Warum gerade Deutschland? Drei zentrale Preistreiber

a) Europas Spitzenreiter bei Steuern und Gebühren

Ein Blick auf die Gebührenstruktur europäischer Flughäfen zeigt: Deutsche Flughäfen sind im internationalen Vergleich besonders teuer. Laut einer ADAC-Analyse zahlen Airlines in:

  • Frankfurt im Schnitt 58,60 € pro Passagier,
  • München liegt bei 49,06 €,
  • zum Vergleich: London-Heathrow verlangt 41,22 €,
  • Amsterdam liegt deutlich darunter,
  • lediglich BER (Berlin-Brandenburg) fällt mit 22,23 € positiv auf – was Wizz Air gezielt für sich nutzt.

Diese Abgaben schlagen sich direkt in den Ticketpreisen nieder. Wer in Deutschland startet oder landet, zahlt oft einen spürbaren “Standortaufschlag”.

b) Angebotslücke durch Rückzug der Billigflieger

Trotz steigender Nachfrage hinkt Deutschland beim Flugangebot hinterher. Laut dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) liegt das Sitzplatzangebot aktuell bei nur 93 % des Vorkrisenniveaus von 2019. Der europäische Durchschnitt liegt bei 133 % – Deutschland bildet das Schlusslicht.

Warum? Billigfluggesellschaften ziehen sich zurück. Ryanair, einst mit starkem Wachstum in Deutschland vertreten, investiert inzwischen lieber in Märkte mit besseren Margen. Ryanair-CEO Eddie Wilson bringt es auf den Punkt:

„Ich kann nicht mehr Flugzeuge in Deutschland stationieren, wenn sie im Rest Europas bessere Renditen einfliegen.“

c) Der Teufelskreis aus hohen Kosten und sinkender Kapazität

Dieser Rückzug hat fatale Folgen:

  • Weniger Anbieter → weniger Wettbewerb → steigende Preise.
  • Marktführer wie Eurowings übernehmen zunehmend Strecken – und nutzen ihre Marktstellung zur Preisgestaltung.
  • Gleichzeitig steigen Kosten (z. B. für Kerosin, Personal, Sicherheitsvorgaben), die Airlines zwangsläufig weitergeben.

Der BDL fordert daher die Abschaffung der Luftverkehrssteuer sowie eine staatliche Beteiligung an den Luftsicherheitskosten – wie es in anderen EU-Ländern längst üblich ist.


3. Auswirkungen auf Passagiere: Das Ende der Schnäppchen

Die Konsequenzen für Reisende sind spürbar:

  • Ultra-Low-Cost-Tickets – wie einst für 9,90 € – gehören der Vergangenheit an. Selbst Frühbucher zahlen heute oft 50 bis 100 % mehr als noch vor wenigen Jahren.
  • Weniger Verbindungen, insbesondere ab Regionalflughäfen wie Lübeck oder Karlsruhe-Baden, schränken die Flexibilität ein.
  • Dynamische Preismodelle erschweren die Planung: Der „ideale“ Buchungszeitpunkt ist kaum vorhersehbar. Zwar ist frühes Buchen tendenziell günstiger, doch auch spontane Preissprünge und -stürze sind möglich.
    Beispiel: Eine Woche vor Abflug kostete ein Eurowings-Flug Düsseldorf–Stockholm 499 €, fiel jedoch einen Tag später auf 199 €.

4. Politische Lösungsansätze – und ihre Grenzen

Ryanair hat der Bundesregierung einen klaren Vorschlag unterbreitet: Flottenausbau in Deutschland im Gegenzug für steuerliche Entlastung. Doch bislang bleibt eine politische Reaktion aus. Die Gründe: Klimapolitik, fiskalische Zurückhaltung – und wohl auch fehlender politischer Wille.

Solange Deutschland an der Spitze der europäischen Gebührenstruktur steht, werden Airlines ihr Angebot weiter zurückfahren. Das Ergebnis: Weniger Wettbewerb, höhere Preise, geringere Wahlfreiheit – ein klassischer Fall von Marktversagen.


5. Fazit: Strukturprobleme treiben Preise – und Passagiere zum Umdenken

Die aktuellen Flugpreise in Deutschland sind kein Zufall, sondern das Resultat struktureller Fehlentwicklungen:

  • Hohe Standortkosten vertreiben Anbieter.
  • Weniger Wettbewerb ermöglicht Preisdiktate.
  • Politische Reformen bleiben bislang aus.

Wer sparen will, muss flexibel bleiben, unterschiedliche Buchungszeitpunkte prüfen – und ernsthaft Alternativen wie Bahnreisen oder Fahrgemeinschaften erwägen.

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