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WLAN-Router als Gesundheits-Tool: Kann das Heimnetzwerk wirklich den Puls messen?

Die Medizintechnik befindet sich in einem rasanten Wandel. Was vor kurzem noch nach Science-Fiction klang, könnte bald Teil des Alltags werden: Ein handelsüblicher WLAN-Router misst den Puls – und das mit hoher Genauigkeit. Forschende der University of California in Santa Cruz haben mit dem System „Pulse-Fi“ eine Technologie vorgestellt, die genau dies möglich macht. Die Frage lautet nun: Wie verlässlich sind die Ergebnisse wirklich – und welche Folgen könnte das für die medizinische Praxis haben?


Herzfrequenz als entscheidender Vitalparameter

Die Herzfrequenz – umgangssprachlich „Puls“ – gehört zu den wichtigsten Vitalzeichen in der Medizin. Sie liefert Hinweise auf den Kreislaufzustand, die Leistungsfähigkeit des Herzens und mögliche Erkrankungen.

  • Erhöhter Puls kann beispielsweise auf Herzrhythmusstörungen, Stress, Infekte oder Überlastung hinweisen.
  • Dauerhaft niedriger Puls (Bradykardie) ist bei trainierten Sportlerinnen und Sportlern oft normal, kann bei anderen Personen jedoch auf Herzprobleme hindeuten.

Zur Messung werden bislang überwiegend Elektrokardiogramme (EKG), Brustgurte oder Smartwatches eingesetzt. Mit Pulse-Fi tritt nun ein völlig neuer Ansatz auf den Plan: die Nutzung der Funkwellen, die ohnehin in nahezu jedem Haushalt durch WLAN-Router ausgesendet werden.


So funktioniert Pulse-Fi

Die Technologie basiert auf einem physikalischen Effekt:

  • Jeder Herzschlag führt zu minimalen Bewegungen des Brustkorbs und des Blutes im Körper. Diese winzigen Veränderungen beeinflussen die Reflexion von Funksignalen.
  • Machine-Learning-Algorithmen wurden darauf trainiert, diese Muster zuverlässig zu erkennen und störende Einflüsse – etwa durch Bewegungen, Nebengeräusche oder andere Geräte – herauszufiltern.

In einer Studie mit 118 Probandinnen und Probanden konnten die Forschenden die Herzfrequenz innerhalb weniger Sekunden bestimmen.

Die zentralen Ergebnisse:

  • Klinische Genauigkeit wurde erreicht.
  • Unabhängigkeit von Körperposition und Bewegung: Ob liegend, stehend oder gehend – die Ergebnisse blieben zuverlässig.
  • Router-Position nicht kritisch: Entscheidend ist lediglich, dass sich die Person in einem Umkreis von rund drei Metern zum Gerät aufhält.

Technische Seite: Günstig, flexibel und skalierbar

Besonders interessant ist, dass die Technologie keine teuren Spezialgeräte benötigt:

  • Erste Versuche liefen mit ESP32-Mikrochips – sehr günstigen, WLAN-fähigen Modulen.
  • Mit leistungsstärkeren Systemen wie dem Raspberry Pi stieg die Genauigkeit weiter an.
  • Nach Einschätzung der Forschenden könnte ein herkömmlicher WLAN-Router in Zukunft sogar die präzisesten Ergebnisse liefern.

Damit eröffnet sich die Möglichkeit, dass die Technologie breit verfügbar und für Haushalte ebenso wie für Arztpraxen erschwinglich wird.


Mehr als nur Puls: Atemfrequenz im Blick

Die Forschenden wollen sich nicht allein auf die Pulsmessung beschränken.

  • Bereits jetzt untersuchen sie die Möglichkeit, auch die Atemfrequenz zu erfassen – ein weiterer zentraler Vitalparameter.
  • Denkbare Anwendungen reichen von der Erkennung von Schlafapnoe bis hin zur kontinuierlichen Überwachung bei Atemwegserkrankungen.
  • Erste unveröffentlichte Ergebnisse sollen laut dem Team vielversprechend sein.

Langfristig könnte Pulse-Fi also eine kontaktlose, multifunktionale Überwachungslösung für verschiedene Gesundheitsdaten darstellen.


Chancen und Grenzen

Die Vision klingt wegweisend, dennoch ist eine nüchterne Bewertung wichtig.

Chancen:

  • Niedrigschwellige Gesundheitsüberwachung im Alltag, ohne zusätzliche Geräte tragen zu müssen.
  • Geringe Kosten dank Nutzung vorhandener Hardware.
  • Früherkennung von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, bevor Symptome deutlich auftreten.

Grenzen und offene Fragen:

  • Praxistauglichkeit: Ob die klinische Genauigkeit auch in realen Haushalten mit vielen Störsignalen, mehreren Personen und unterschiedlichen Wohnsituationen bestehen bleibt, ist noch nicht nachgewiesen.
  • Datenschutz: Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten Informationen überhaupt. Ein WLAN-Router, der Vitalwerte sammelt, wirft Fragen nach Datensicherheit, Verschlüsselung und möglichem Missbrauch auf.
  • Regulierung: Zwischen einem erfolgreichen Prototyp im Labor und einer zugelassenen Medizintechnik-Lösung liegt ein langer Prozess, der klinische Studien, Zertifizierungen und Sicherheitsprüfungen umfasst.

Fazit: Eine Innovation mit großem, aber noch unklarem Potenzial

Die Forschungsergebnisse aus Santa Cruz verdeutlichen eindrucksvoll, welches Potenzial die Kombination von Funktechnologie und Künstlicher Intelligenz hat. Ein WLAN-Router, der Vitaldaten wie den Puls misst, ist kein bloßes Gedankenspiel mehr, sondern bereits in Studien erfolgreich erprobt.

Bevor diese Technologie jedoch in Kliniken oder Privathaushalten zum Standard wird, sind weitere Untersuchungen, Validierungen und regulatorische Prüfungen erforderlich. Ob klassische Messgeräte wie EKGs oder Smartwatches dadurch überflüssig werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar.

Sicher ist aber: Pulse-Fi eröffnet einen spannenden Blick auf die Zukunft der digitalen Medizin – eine Zukunft, in der Gesundheitsüberwachung möglicherweise nahtlos in unseren Alltag integriert ist und ohne aktives Zutun im Hintergrund abläuft.

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