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Magnesium gegen Muskelkrämpfe: Wundermittel oder Werbetrick?

Muskelkrämpfe sind unangenehm, meist harmlos – und Millionen Menschen in Deutschland greifen jedes Jahr zu Magnesiumpräparaten in der Hoffnung auf Linderung. Doch wie wirksam sind diese Mittel tatsächlich? Lohnt sich die Investition, oder profitieren vor allem die Hersteller?

Magnesium als Verkaufsschlager

Magnesium zählt in Deutschland zu den beliebtesten Nahrungsergänzungsmitteln. Jährlich werden über 30 Millionen Packungen verkauft – in Drogerien, Apotheken und Supermärkten. Die Preise variieren je nach Darreichungsform und Dosierung: Sie reichen von wenigen Cent bis zu rund 50 Cent pro Tagesdosis. Wer regelmäßig Magnesium einnimmt, gibt somit leicht zehn bis zwanzig Euro pro Monat aus.

Die Bewerbung dieser Präparate ist rechtlich erlaubt: Formulierungen wie „trägt zu einer normalen Muskelfunktion bei“ sind durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen. Diese sogenannten Health Claims beziehen sich jedoch ausschließlich auf den normalen physiologischen Zustand – nicht auf therapeutische Effekte bei Muskelkrämpfen.

Was sagt die wissenschaftliche Evidenz?

Sportlich aktive Menschen

Magnesium wird oft eingenommen, um Muskelkrämpfen im Rahmen körperlicher Belastung vorzubeugen. Die wissenschaftliche Beweislage hierzu ist jedoch schwach.

Die große Cochrane-Übersichtsarbeit von 2020 kommt zu dem Schluss, dass es keine überzeugenden Belege für eine vorbeugende Wirkung von Magnesium bei sportbedingten Muskelkrämpfen gibt. Auch neuere Studien haben dieses Bild bislang nicht verändert. Die wenigen vorhandenen Untersuchungen zeigen entweder keine oder nur sehr geringe Effekte – häufig ohne klinische Relevanz.

Die Ursachen für Muskelkrämpfe beim Sport sind multifaktoriell: Flüssigkeitsmangel, Elektrolytverschiebungen, muskuläre Überlastung, Stress oder neurologische Reize spielen eine Rolle. Ein Magnesiummangel stellt lediglich eine von vielen potenziellen Ursachen dar – oft ohne gesicherte Bedeutung.

Ältere Menschen

Nächtliche Wadenkrämpfe zählen zu den häufigsten Beschwerden im höheren Lebensalter. Hier wurde der Effekt von Magnesium intensiver erforscht – mit ernüchternden Ergebnissen.

Mehrere placebokontrollierte Studien mit älteren Probandinnen und Probanden zeigen übereinstimmend: Die Einnahme von Magnesium reduziert weder die Häufigkeit noch die Intensität der Krämpfe signifikant. Auch systematische Übersichtsarbeiten bestätigen diese Befunde. Die Wirksamkeit gilt daher als nicht belegt.

Schwangere

Bei Schwangeren, die ebenfalls häufig über nächtliche Beinkrämpfe klagen, ist die Studienlage uneinheitlich.

Einzelne kleinere Studien konnten einen geringen Nutzen feststellen, andere wiederum fanden keinen Effekt. Die Heterogenität in Studiendesign, Dosierung, Magnesiumverbindung und Methodik erschwert die Interpretation. Die aktuelle Cochrane-Analyse bleibt daher vorsichtig: Ein möglicher Nutzen kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber bislang nicht ausreichend belegt, um allgemeine Empfehlungen auszusprechen.

Wie häufig ist ein Magnesiummangel?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt täglich 300 mg Magnesium für Frauen und 350 mg für Männer. Ein echter Magnesiummangel – definiert als klinisch relevanter und laborchemisch nachgewiesener Mangel – ist in Deutschland selten, aber keineswegs ausgeschlossen.

Etwa 10 bis 15 % der Bevölkerung zeigen laut Studien zu niedrige Serum-Magnesiumwerte. In Risikogruppen wie älteren Menschen, Diabetikern, Personen mit gastrointestinalen Erkrankungen oder Schwangeren kann die Prävalenz deutlich höher sein. Ein ausgeglichener Magnesiumstatus lässt sich in der Regel durch eine vollwertige Ernährung erreichen – insbesondere durch den Verzehr von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen, grünem Gemüse und magnesiumreichen Mineralwässern.

Nebenwirkungen und Risiken

In üblichen Dosierungen gelten Magnesiumpräparate für gesunde Menschen als gut verträglich. Die häufigste Nebenwirkung ist weicher Stuhl oder milder Durchfall – insbesondere bei Einnahme organischer Magnesiumverbindungen wie Magnesiumcitrat.

Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollten jedoch vorsichtig sein: Eine unkontrollierte Anreicherung von Magnesium im Blut (Hypermagnesiämie) kann bei gestörter Ausscheidung zu ernsten Komplikationen führen – darunter Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall, Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen oder Koma. Gleiches gilt für bestimmte Herzerkrankungen oder die Einnahme magnesiumhaltiger Abführmittel.

Was hilft tatsächlich bei Muskelkrämpfen?

Nach derzeitigem Stand ist regelmäßiges Dehnen die wirksamste nicht-medikamentöse Maßnahme zur Vorbeugung und Behandlung nächtlicher Muskelkrämpfe. Studien belegen, dass gezielte Dehnübungen – insbesondere der Wadenmuskulatur vor dem Schlafengehen – Krämpfe signifikant reduzieren können.

Bei wiederkehrenden oder besonders schmerzhaften Krämpfen sollte eine ärztliche Abklärung erfolgen. Liegt ein medizinisch bestätigter Magnesiummangel vor, ist eine gezielte Substitution mit therapeutisch wirksamen Präparaten unter ärztlicher Aufsicht sinnvoll und notwendig.

Fazit: Magnesiumpräparate – begrenzter Nutzen, klare Grenzen

Für gesunde Menschen ohne diagnostizierten Magnesiummangel ist die Einnahme von Magnesium zur Vorbeugung oder Behandlung von Muskelkrämpfen in der Regel nicht erforderlich und medizinisch nicht begründet.

Eine ausgewogene, magnesiumreiche Ernährung deckt den Bedarf meist vollständig ab. Wer trotzdem auf Präparate zurückgreifen möchte, sollte Nutzen und Risiken individuell abwägen – insbesondere bei bestehender Grunderkrankung.

Risikogruppen wie ältere Menschen, Schwangere oder chronisch Kranke sollten die Einnahme mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin besprechen.

Kurzum: Die Hoffnung auf eine einfache Lösung bei Muskelkrämpfen durch Magnesium wird durch die aktuelle Studienlage kaum gestützt. Wer häufig unter Krämpfen leidet, sollte weniger zu Nahrungsergänzungsmitteln und eher zu präventiven Maßnahmen wie Dehnung und medizinischer Abklärung greifen.

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