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Rentenpaket kommt: Was bringen Aktiv-, Frühstart- und Mütterrente wirklich?

Nach monatelangem Ringen hat der Bundestag am 5. Dezember 2025 das umstrittene Rentenpaket beschlossen. Mit 319 Ja-Stimmen erreichte Kanzler Merz sogar die symbolträchtige “Kanzlermehrheit”. Doch was bedeuten diese Beschlüsse konkret für Millionen Deutsche? Eine fundierte Analyse der wichtigsten Maßnahmen und ihrer Auswirkungen.

Die politische Zerreißprobe: Wie das Paket durchkam

Es war eine politische Zitterpartie bis zur letzten Minute. Vor allem die Junge Gruppe der Union, angeführt von Johannes Winkel, hatte mit einem Nein gedroht. Bei einer internen Testabstimmung stimmten rund 20 Unionsabgeordnete gegen das Paket – die Koalition hat aber nur zwölf Stimmen Mehrheit. Am Ende votierten sieben Unionsmitglieder gegen das Paket, zwei enthielten sich.

Der Bundesrat soll am 19. Dezember abschließend zustimmen – seine Zustimmung ist rechtlich allerdings nicht erforderlich. Die meisten Regelungen treten dann am 1. Januar 2026 in Kraft.

1. Haltelinie bis 2031: Stabilität erkauft mit Schulden

Was beschlossen wurde: Die Bundesregierung verlängert die sogenannte Haltelinie beim Rentenniveau von 48 Prozent bis zum 1. Juli 2031. Das bedeutet: Die Standardrente (Eckrente) einer Person, die 45 Jahre lang das Durchschnittseinkommen verdient hat, beträgt mindestens 48 Prozent des aktuellen Durchschnittseinkommens – jeweils nach Abzug der Sozialabgaben.

Die Fakten im Check: Diese Aussage ist vollständig korrekt. Der Bundestag hat die Haltelinie tatsächlich bis 2031 verlängert, was bedeutet, dass das Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent stabilisiert wird. Ohne diese Maßnahme würde das Rentenniveau demografiebedingt bis 2031 voraussichtlich auf etwa 47 Prozent sinken.

Was es kostet: Die Dimensionen sind gewaltig. 2025 liegen die Rentenausgaben bei 394,4 Milliarden Euro, bis 2031 werden sie auf 518,3 Milliarden Euro steigen, 2040 sogar auf 677,5 Milliarden Euro. Bereits jetzt fließt jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt in die Rente – Tendenz steigend.

Die Kritiker der Jungen Gruppe rechnen vor: Allein die Festschreibung des Rentenniveaus für die 2030er-Jahre koste zusätzlich rund 120 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof warnt deutlich und bezweifelt die Finanzierbarkeit dieser enormen Kosten.

2. Aktivrente ab Januar 2026: Arbeit im Alter wird attraktiver

Was kommt: Ab dem 1. Januar 2026 können Rentner, die über die Regelaltersgrenze (derzeit 67 Jahre) hinaus arbeiten, monatlich bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen. Das sind 24.000 Euro pro Jahr.

Die wichtigsten Details:

  • Keine Progressionswirkung: Der steuerfreie Betrag wird nicht auf das übrige zu versteuernde Einkommen angerechnet, sodass der persönliche Steuersatz nicht steigt
  • Sozialabgaben fallen an: Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung müssen weiterhin gezahlt werden (ca. 11-12 Prozent)
  • Arbeitgeber zahlt Rentenversicherung: Der Arbeitgeberanteil zur Renten- und Arbeitslosenversicherung wird weiter abgeführt
  • Direkter Effekt: Die Steuerfreiheit gilt sofort beim Lohnsteuerabzug, nicht erst über die Steuererklärung

Wer profitiert NICHT:

Die Aktivrente gilt ausschließlich für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Selbstständige, Freiberufler, Beamte und Minijobber sind explizit ausgeschlossen. Dies sorgt für erhebliche Kritik, da es als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gesehen wird.

Beispielrechnung: Ein 68-jähriger Ingenieur arbeitet in Teilzeit für 2.000 Euro brutto.

  • Ohne Aktivrente: Nach Steuern und Sozialabgaben bleiben etwa 1.400 Euro
  • Mit Aktivrente: Nach Sozialabgaben bleiben etwa 1.780 Euro (380 Euro mehr!)

Kombiniert mit der Rente könnte dieser Ingenieur sein Lebenseinkommen halten, aber mit deutlich weniger Arbeitsstunden.

Ende des Vorbeschäftigungsverbots: Eine wichtige Neuerung: Arbeitgeber dürfen Beschäftigte nach Erreichen der Regelaltersgrenze befristet erneut auf der gleichen Position anstellen. Bisher war dies rechtlich heikel.

Bewertung: Die Aktivrente ist das innovativste Element des Pakets. Sie schafft echte finanzielle Anreize, kann dem Fachkräftemangel entgegenwirken und stärkt die Rentenkasse durch Arbeitgeberbeiträge. Die Evaluation nach zwei Jahren wird zeigen, ob das Modell aufgeht.

3. Frühstartrente: Noch nicht beschlossen – und komplizierter als gedacht

Was geplant ist: Hier liegt die erste große Diskrepanz in der ursprünglichen Darstellung. Die Frühstartrente ist nicht Teil des jetzt beschlossenen Rentenpakets. Ein Gesetzesbeschluss soll erst im Herbst oder späten 2025 erfolgen, die Umsetzung zum 1. Januar 2026 gilt als unrealistisch.

Das Konzept:

  • Kinder ab 6 Jahren sollen monatlich 10 Euro vom Staat in ein Wertpapierdepot erhalten
  • Förderung läuft bis zum 18. Geburtstag (insgesamt 1.440 Euro)
  • Start erfolgt jahrgangsweise: 2026 zunächst nur für den Jahrgang 2020, in den Folgejahren kommen weitere Jahrgänge hinzu
  • Das Geld ist bis zum Renteneintritt gesperrt
  • Erträge bleiben bis dahin steuerfrei

Ist Dein Kind zu alt? Ja, höchstwahrscheinlich. Wenn Dein Kind heute bereits 7, 8 oder älter ist, wird es keine staatliche Förderung mehr erhalten. Die schrittweise Einführung bedeutet: Nur wer 2026 sechs Jahre alt wird (Jahrgang 2020), startet 2026. Für alle älteren Jahrgänge kommt die Förderung zu spät.

Die Rechnung: Bei einer konservativen Rendite von 6 Prozent pro Jahr:

  • Mit 18 Jahren: ca. 2.090 Euro im Depot
  • Mit 67 Jahren (ohne weitere Einzahlungen): ca. 36.000 Euro
  • Mit 67 Jahren (weiter 10 Euro/Monat): ca. 70.000 Euro

Das klingt nach viel Geld. Aber: Experten von Finanztip geben zu bedenken, dass man sich von diesen Summen in ein paar Jahrzehnten aufgrund der Inflation deutlich weniger kaufen können wird als heute.

Was Eltern JETZT tun sollten: Unabhängig von staatlichen Förderungen: Ein Juniordepot mit einem weltweiten ETF ist die beste Vorsorge. Wer monatlich 150 Euro für ein sechsjähriges Kind investiert, kommt bei 6 Prozent Rendite mit 18 auf über 31.000 Euro. Führt das Kind den Sparplan fort, kann es mit 67 die Million knacken.

4. Mütterrente III ab 2027: Gerechtigkeit – aber mit Haken

Was beschlossen wurde: Ab dem 1. Januar 2027 werden alle Kindererziehungszeiten gleichbehandelt. Eltern erhalten künftig drei Rentenpunkte pro Kind – unabhängig davon, ob es vor oder nach 1992 geboren wurde. Bisher gab es für vor 1992 geborene Kinder nur 2,5 Punkte.

Wer profitiert: Etwa 10 Millionen Menschen, überwiegend Frauen. Pro älteres Kind bedeutet das 0,5 Rentenpunkte mehr, was aktuell 20,40 Euro monatlich entspricht.

Beispiel: Eine Mutter mit drei vor 1992 geborenen Kindern erhält:

  • Zusätzlich: 3 × 0,5 Rentenpunkte = 1,5 Punkte
  • Monatlich: ca. 61 Euro mehr Rente
  • Jährlich: ca. 732 Euro mehr

Der Haken – Anrechnung: Das ist der kritische Punkt, der oft übersehen wird. Die höhere Rente wird auf Grundsicherung, Wohngeld und Witwenrente angerechnet. Wer bereits diese Leistungen bezieht, bekommt unter Umständen nicht automatisch mehr Geld.

Noch ein Haken – Versorgungsausgleich: Bei Scheidungen wird die Mütterrente oft über den Versorgungsausgleich geteilt, sodass Ex-Partner von der Erhöhung profitieren können. Dies war bereits bei Mütterrente I und II der Fall und führte zu vielen Überprüfungsanträgen geschiedener Männer.

Wann kommt das Geld? Die Deutsche Rentenversicherung warnt: Wegen des hohen technischen Aufwands könnte die Auszahlung erst 2028 beginnen, dann aber rückwirkend ab Januar 2027. Millionen Rentenkonten müssen neu berechnet werden.

Die Finanzierung: Ein Blick in die Zukunft

Rentenbeiträge steigen – aber wann? Derzeit liegen die Rentenbeiträge bei 18,6 Prozent. Laut Schätzungen der Deutschen Rentenversicherung steigen sie ab 2028 auf 19,8 Prozent. Langfristig ist mit einem Anstieg auf über 22 Prozent zu rechnen.

Der Bundeszuschuss explodiert: Bereits heute fließen 122,5 Milliarden Euro Steuergelder in die Rente – das ist jeder vierte Euro des Bundeshaushalts. Dieser Anteil wird weiter steigen.

Generationenkapital als Lösung? Die Bundesregierung setzt auf Kapitalanlagen am Aktienmarkt (Generationenkapital), um die Finanzierungslücke zu schließen. Ab 2036 sollen jährlich 10 Milliarden Euro aus Erträgen zur Verfügung stehen. Kritiker bezweifeln allerdings, dass dies ausreicht.

Was bedeutet das für Dein Leben?

Für Rentner und Rentnerinnen:

  • Kurzfristig: Stabilität durch die Haltelinie – Deine Rente steigt mit den Löhnen
  • Mütterrente: Mehr Geld ab 2027/2028, aber prüfe die Auswirkungen auf andere Leistungen
  • Aktivrente: Echte Chance für finanziell attraktive Weiterbeschäftigung

Für Beschäftigte (30-50 Jahre):

  • Beiträge steigen: Rechne ab 2028 mit höheren Abzügen
  • Zusatzvorsorge unverzichtbar: Die gesetzliche Rente wird kaum für den bisherigen Lebensstandard reichen
  • Aktivrente nutzen: Plane schon jetzt, eventuell länger zu arbeiten – mit der Aktivrente wird es sich lohnen

Für junge Menschen und Familien:

  • Frühstartrente: Abwarten und eigene Lösungen suchen – auf den Staat allein solltest Du nicht setzen
  • Juniordepot: Jetzt selbst aktiv werden, nicht auf die 10 Euro monatlich hoffen
  • Generationengerechtigkeit: Die Last des Systems wird primär von Euch getragen

Für Arbeitgeber:

  • Fachkräfte halten: Die Aktivrente ermöglicht es, erfahrene Mitarbeiter länger zu beschäftigen
  • Flexible Modelle: Teilzeit plus Rente plus Aktivrente = Win-Win
  • Rechtssicherheit: Das Ende des Vorbeschäftigungsverbots schafft Klarheit

Die große Kritik: Strukturreform verschoben

Das eigentliche Problem bleibt ungelöst: Das Rentenpaket ist keine Strukturreform. Es stabilisiert das System kurzfristig bis 2031, aber die fundamentalen Fragen werden vertagt.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann räumte selbst ein, dass die Aktivrente und das Rentenpaket nicht ausreichen würden, um die Zukunft der Sozialversicherung insgesamt zu sichern. Eine Rentenkommission soll 2026 Vorschläge erarbeiten.

Die ungelösten Fragen:

  • Wie finanzieren wir die Rente nach 2031?
  • Muss das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden?
  • Sollte es eine Bürgerversicherung geben, in die alle einzahlen?
  • Wie wird die private Altersvorsorge endlich attraktiv?

Fazit: Zeitgewinn, aber keine Lösung

Das Rentenpaket ist ein politischer Erfolg für die Koalition – aber eine vertane Chance für echte Reformen. Die Haltelinie sichert Stabilität für die nächsten sechs Jahre, die Aktivrente ist innovativ, und die Mütterrente schafft späte Gerechtigkeit.

Aber: Das System bleibt anfällig. Die Babyboomer gehen in Rente, die Beiträge steigen, der Bundeszuschuss explodiert. Die Rechnung zahlen vor allem die Jungen.

Drei Dinge solltest Du jetzt tun:

  1. Zusatzvorsorge aufbauen: Verlasse Dich nicht allein auf die gesetzliche Rente. Ein ETF-Sparplan ist oft die beste Lösung.
  2. Rentenbescheid prüfen: Lass Deine Rentenansprüche checken – Fehler sind häufiger als gedacht.
  3. Flexibel bleiben: Mit der Aktivrente wird Arbeit im Alter attraktiver. Überlege schon jetzt, wie Du Deinen Übergang gestalten möchtest.

Das Rentenpaket ist beschlossen. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit – für die Politik und für jeden Einzelnen von uns.

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